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Gustav von Siegle
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Gustav von Siegle

Gustav von Siegles Todestag jährt sich am 10. Oktober 2005 zum 100. Mal. Siegle gehörte, neben Gottlieb Daimler, Robert Bosch, Ferdinand Steinbeis oder den mit ihm befreundeten Kilian Steiner und Eduard Pfeiffer, zu den großen Stuttgarter Industriepionieren, die, so Theodor Heuss, jenen neuen Weltsinn verkörpert haben, der aus dem armen Agrarstaat Württemberg nicht nur ein führendes Industrieland machte, sondern ihm und seiner Hauptstadt das Tor zur Welt aufschloß (Paul Sauer: Das Werden einer Großstadt). Teils nationalliberal gesinnt, teils die Ziele der württembergischen Volkspartei vertretend, zeichnete sich ihr erfolgreiches Unternehmertum durch ein spezifisches bemerkenswertes soziales Engagement aus.

Am 2. Februar 1840 in Nürtingen geboren, wurde Gustav Siegle vom Vater, der 1848 in Stuttgart ein Farben produzierendes Unternehmen gegründet hatte, planmäßig zu seinem Nachfolger erzogen. Nach längeren Aufenthalten in Paris und London übernahm der 22-Jährige nach seiner Eheschließung mit Julie Wetzel, die aus der bekannten Hoteliersfamilie Wetzel aus Bad Wildbad stammte, 1862 die väterliche Firma. Die Geschäftstätigkeit des innovativen Herstellers und genialen Verkäufers, die sich bereits auf Filialen im europäischen Ausland stützte, verlief so erfolgreich, daß er 1871 dort, wo heute das neue Gebäude der Allianz steht, die Villa Reinsburg als Sitz der Familie bauen konnte.

Mit der Erfindung der künstlichen Farbstoffe (Anilin) nahm die Firma einen weiteren Aufschwung. Das galt aber auch für seine Konkurrenten Rudolf Knosp in der Rotebühlstraße und einer Firma in Ludwigshafen, die sich seit 1865 BASF nannte. Unter der umsichtigen Führung von Kilian Steiner, Leiter der württembergischen Vereinsbank, Förderer der aufstrebenden heimischen Industrie und finanzpolitischer Berater der damaligen württembergischen Regierung, kam es dann 1873 zwischen der BASF, Knosp und Siegle zu einer Fusion. Knosp wurde bei BASF Vorsitzender des Aufsichtsrats, Siegle von 1873 bis 1889 ihr faktischer Vorstandsvorsitzender, der die neue Firma weltweit ausbaute. Noch heute werden diese 16 Jahre bei BASF als die Ära Siegle bezeichnet. Und bis 1959 wurden die Drucksachen der BASF mit dem Ludwigshafener Löwen und dem Stuttgarter Rößle geschmückt.

1889 löste Siegle die Fusion wieder auf, führte sein eigenes Unternehmen weiter, blieb aber Aktionär und Aufsichtsrat bei BASF. Ein Grund dafür dürfte 1887 die Wahl in den Reichstag gewesen sein. Als Mitglied der nationalliberalen Partei setzte er sich dort vor allem für die freiheitliche Entwicklung von Wirtschaft und Handel, aber auch für die Arbeiterschaft ein. So ist es seiner Initiative mit zu verdanken, daß das erste Arbeitsamt im Deutschen Reich 1894 in Württemberg eingerichtet wurde. Für seine Beschäftigten führte er viele soziale Vergünstigungen, darunter eine Betriebskrankenkasse, Urlaub für die Arbeiter unter Fortzahlung der Löhne und Gewährung eines Extrazuschusses von 20 Mark oder Witwenpensionen für verstorbene Betriebsangehörige ein.

Auf kommunaler Ebene unterstützte er ideell und finanziell die Gründung des Stuttgarter Arbeiterbildungsvereins durch Eduard Pfeiffer. Der Stadt stellte er für die Speisung armer Schulkinder 105.000 Mark zur Verfügung. Wegen des Baus eines allgemein zugänglichen Kulturhauses für Stuttgart beriet er die Gründung einer Stiftung, für die er 500.000 Mark bereitstellte. Seine Frau ergänzte die Mittel um weitere 100.000 Mark. 1912 konnte dann das Gustav-Siegle-Haus eingeweiht werden.

Wegen seiner Verdienste verlieh ihm König Karl 1889 den persönlichen Adel. Die Universität Tübingen ernannte ihn 1897 zum Ehrendoktor.

Es muß wohl die große Arbeitsleistung gewesen sein, zumal Siegle noch in vielen Aufsichtsräten, z.B. in der WMF, führend tätig war, die 1896 zu einem Schlaganfall führte. Von ihm erholte sich der 56-Jährige nicht mehr. Gustav von Siegle starb am 10. Oktober 1905 – Die Grabstätte der Familie befindet sich auf dem Fangelsbachfriedhof.

Für seine Tochter Margarete, die mit Hermann Freiherr von Tessin verheiratet war, errichtete Gustav von Siegle das Gebäude Mörikestraße 24 nebst Laubengang und Brunnenhof, dem heutigen Lapidarium. Für die Tochter Dora plante er ebenfalls ein entsprechendes Anwesen, die Villa Gemmingen. Den Bau erlebte er aber nicht mehr. Dieser wurde dann von der Tochter und ihrem Ehemann, Fritz Freiherr von Gemmingen-Hornberg, errichtet und 1911 fertiggestellt. Zwischenzeitlich war die Villa an die Stadt Stuttgart verkauft worden. Nach dem Auszug des Landesdenkmalamts erwarb Baronin von Tessin im Jahr 2000 die Villa wieder zurück.

Vortrag von Dr. Dieter Plessing am 10. Oktober 2005 in der Villa Gemmingen